Keines Rätsels Lösung: Kennzeichnungsregeln für Allergene

 

Im Mikrokosmos der Milligramm

 

Milch, Getreide, Fisch. Für die meisten Menschen heißen so ganz gewöhnliche Lebensmittel, mit denen sie sich tagtäglich versorgen. Für einige wenige sind diese Lebensmittel aber gesundheitsschädlich, da sie bei ihnen Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können. Gesetzlich vorgeschriebene Inhaltsangaben, die diese Zutaten auf Produktverpackungen aufführen, sollen helfen. Die Kennzeichnung von spuren umfassen sie jedoch nicht.

 

Zwischen vier und acht Prozent der Kinder reagieren allergisch auf einzelne Lebensmittel, bei den Erwachsenen bis zu drei Prozent. Nur ein Dutzend Lebensmittel sind es, die für rund 90 Prozent dieser Allergiker problematisch sind. Eine besonders harte Nuss bietet die mittlerweile berüchtigte Erdnuss: Wenige Milligramm können bereits zu lebensgefährlichen Reaktionen führen. In Ausnahmefällen genügt ein Haut- oder Atemkontakt, den die Klimaanlage eines Flugzeugs heranbläst. Wer unter einer solchen Allergie leidet, kauft bei einem spezialisierten Fachhändler ein oder studiert eindringlich die Zutatenliste, die die Lebensmittel-Kennzeichungsverordnung (LMKV) vorschreibt. Seit 2005 ist eine Allergenkennzeichnung für verpackte und ab Dezember 2014 auch für offen angebotene Lebensmittel Pflicht.

 

Wohlgemerkt: Es geht nur um Zutaten. Nach wie vor ungeklärt bleibt das Thema der Kreuzkontakte, zuweilen auch als Kreuzkontaminationen bezeichnet. Gemeint sind geringste „Mengen“ eines zusätzlichen Stoffs, der über Anbau oder Herstellung in ein Produkt gelangte: Ein Milligramm pro Kilogramm genügt. Zu denken ist hier an natürlichen Pollenflug oder landwirtschaftlich notwenigen Fruchtwechsel auf den Feldern. Ebenso möglich sind Kreuzkontakte auf produktionsspezifischem Wege. Wie diffizil hier das Allergenmanagement ausfällt, zeigen einige Praxisbeispiele: Gewürze und Kräuter werden zwingend trocken verarbeitet. Trocknungsmaschinen schätzen kein Wasser und lassen sich daher nur mit hohem Aufwand feucht säubern. An eine Nassreinigung nach jedem Chargenwechsel ist nicht zu denken. Lagerstätten, Misch- und Abüllanlagen unterliegen einer gewöhnlichen Staubentwicklung. Sie zu reduzieren strebt sorgfältiges Allergenmanagement an. In Betrieben, die Gewürze zu Pulver vermahlen, ist das jedoch unmöglich. Auch getrennte Produktionslinien bei der Veredelung und Weiterverarbeitung stehen im Fokus. Für kleine und mittlere Unternehmen, die sich wieder auf Allergiker-Lebensmittel noch auf hypoallergene Babynahrung spezialisiert haben, sind sie im Alltag aber häufig nicht zielführend oder einfach nicht machbar. Weder technologisch noch finanziell. Trotzdem: Im Rahmen der „Guten Herstellungspraxis“ sind zumindest die Hauptallergene so weit zu reduzieren, wie es die Technologie erlaubt. Auch ohne gesetzliche Regelung. Im Gewürz-Falle beschränken sie sich auf Senf und Sellerie.

 

Unter dem Strich bleibt eine simple Erkenntnis: Der Kosmos der Allergene ist ein Kosmos der Milligramme. Doch die Welt, der Acker, die Produktion sind kein Labor. Für den Allergiker, der im Supermarkt notgedrungen Zutatenlisten studiert, führt dieses Spannungsverhältnis zur Verunsicherung: Worauf soll er sich verlassen? Die LMKV regelt die Kennzeichnung von Zutaten, also Stoffen, die zielgerichtet verarbeitet wurden. Kreuzkontakte, die unbeabsichtigt in ein Produkt gelangten, sind keine Zutat – im Sinne der LMKV. Für sie gelten keine Kennzeichnungsregeln.

 

Verbraucherhilfe bietet derweil nur der freiwillige Hinweis, den der Hersteller selbst auf seine Verpackung druckt: Ist hier ein „Frei von Sellerie“ zu lesen, dann dürfen keinerlei Spuren im Produkt zu finden sind. Heißt es hingegen „Kann Spuren von Gluten enthalten“, dann erfolgt dies vorsorglich. Ebenso wie bei dem Hinweis, dass im Betrieb auch Ei verarbeitet werde und ein Kreuzkontakt nicht völlig auszuschließen sei. Auf diesem Wege schützt der Hersteller den Verbraucher vor möglichem Schaden und sich selbst vor eventuellen Haftungsansprüchen. Was wiederum zu übereifrigen Vorsichtsmaßnahmen führen kann und damit zu langen Listen eventueller Allergenspuren, die schlussendlich weniger informieren als verunsichern. Auch das ist keine Lösung.

 

Aber wo lässt sich eine vernünftige, verbraucherschützende und gleichsam realistische Messlatte finden? Wer soll Schwellenwerte definieren, auf welchen Grundlagen – und sind sie überhaupt zu finden? Die Leitlinie einer eventuell zukünftigen Spurenkennzeichnung verläuft jedenfalls zwischen zwei Eckpunkten: zwischen der Fremdverantwortung des Lebensmittelherstellers und der Eigenverantwortung des Allergikers. Denn er weiß sein persönliches Risiko am besten einzuschätzen.

 

Neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung

Allergene Zutaten müssen seit Jahren auf verpackt verkauften Waren gekennzeichnet werden. Mit der neuen EU-Lebensmittelinformationsverordnung gilt dies ab Dezember 2014 auch für offene Produkte vom Bäcker oder Metzger. Konkrete Regelungen hierzu werden im Jahresverlauf erwartet. Folgende Zutaten sind aufzuführen: glutenhaltiges Getreide, Eier, Fische, Erdnüsse, Sojabohnen, Milch, Schalenfrüchte wie Mandeln oder Haselnüsse, Sellerie, Senf, Sesam, Lupinien, Krebstiere, Weichtiere wie Schnecken, Austern und Muscheln. Außerdem Schwefeldioxid und Sulfite in einer gewissen Konzentration.

 

Quelle: Pfeffer – das Gewürzmagazin, Ausgabe 1/2014

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